Blicken wir auf die letzten zehn Jahre, dann sind Wiebke und ich heute an dem Ziel angekommen, auf das wir die ganzen Jahre hingearbeitet haben. Der Jugendbereich war nach dem Bau der großen Halle 1999 langsam im Aufbau. Endlich konnte in Finkenwerder trainiert werden. Die Jahrgänge 1993-1996 waren dann endlich die ersten Jahrgänge, die der Handballabteilung einen großen Zulauf bescherten. Im Jahrgang 1995 und jünger kamen ca. 30 Kinder zusammen.
Ich bin froh, dass man mir als jungem Trainer die Chance gegeben hat, sich dieser Sache anzunehmen. Mir war allerdings von Anfang an klar, dass ich diese Aufgabe nicht alleine bewältigen konnte. Somit zog ich einen ehemaligen Schützling, den ich von meiner ersten Trainerstation kannte, hinzu.
Aus heutiger Sicht lässt sich wohl sagen, dass dieser Zusammenschluss ein Glücksgriff für alle Beteiligten geworden ist. Wiebke hat nicht nur durch das handballerische Verständnis ihren Beitrag leisten können. Zu unseren Markenzeichen sollten die koordinative Ausbildung und die ganzheitliche Kräftigung werden. Hier konnten wir von Wiebkes handballfernen Sportarten, wie Turnen und Body Workout, profitieren.
Ich hingegen kannte in meiner sportlichen Laufbahn, bis zu dem Zeitpunkt meines sportlichen Unfalls 2009, lediglich den Umgang mit dem Ball. Erst danach nutzte ich die Zeit, mich mit der Verletzungsprävention auseinanderzusetzen. Und auch Wiebke, die vom Verletzungspech geplagt war, setzte sich ausführlich mit dem Thema auseinander.
Die turnerischen Elemente brachten wir in unsere Arbeit nicht nur mit den Fünf- bis Sechsjährigen ein. Ab dem B-Jugend-Alter entwickelten wir daraus zusammen mit den Erkenntnissen der Verletzungsprävention, ein funktionelles Training zur Kräftigung des ganzen Körpers.
Spielerisch setzen wir von Anfang an auf die moderneren Vorgaben des DHB. Denn treu dem Motto, dass man das Rad nicht neu erfinden müsse, vertrauten wir den eigenen Erfahrungen und den Vorgaben des DHB.
Schon in den ersten Jahren auf den diversen Minispielfesten wurde deutlich, dass wir es mit dem einem oder anderen „Talent“ zu tun hatten. Doch in einem Alter von sechs Jahren hat dies nicht viel zu sagen. Werden diese frühen Talente nicht gefordert, bleiben sie auf der Strecke. So wie jeder andere auch, um den man sich halbherzig kümmert. Jedes Kind bringt seinen Charakter mit. Ob als vermeintliches Talent oder als Kind, welches in diesem Alter einfach nur eine Sportart ausüben möchte. Und so versuchten wir unser Training aufzubauen.
Denn bei einer Sache hatten alle Kinder dieselben Voraussetzungen. Keiner von unseren Kindern konnte „Handball spielen“. Unser Auftrag bestand nun darin, allen Kindern die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Sport zu identifizieren. Wobei wir in den Anfängen ganz wenig handballspezifische Übungen eingebaut haben.
Klar, werfen, fangen, passen und prellen sollten unsere Kinder schon lernen. Doch lag uns mehr daran, den Kindern zunächst die Möglichkeit zu geben, den eigenen Körper aus zu testen und die Grenzen kennenzulernen. Laufen, springen, klettern, rollen und alles, was man mit dem eigenen Körper so anstellen kann. In der damaligen und heutigen Zeit bleiben diese elementaren Dinge aufgrund des Medienzeitalters bei Kindern oft auf der Strecke.
Genau hier taten sich schon erste Erfolge in der Zusammenarbeit von Wiebke und mir auf. Wiebke war und ist auch heute noch stark darauf bedacht, dass unsere Spieler die Übungen nicht nur absolvieren. Nein, die Übungen mit dem eigenen Körper sollen unsere Schützlinge korrekt und genau ausführen, um so spätere Haltungsschäden vorzubeugen. Das war auch für mich neu.
Nachdem wir die Zeit der Miniturniere abgeschlossen hatten, ging es darum, aus den vielen Kindern zwei Mannschaften zu formen. Anfangs waren in unserem Team noch zwei Mädchen. Bis zur D-Jugend durften wir in gemischten Mannschaften spielen. Als männliche Jugend haben wir unsere Mannschaft letztendlich gemeldet. Wobei auch Vivian und Linda in unserem Spiel eine große Rolle spielten. Jeder war wichtig. Gespielt haben Sie bis zur F-Jugend bei uns. Anschließend konnte eine reine Mädchenmannschaft aufgebaut werden. Die zweite männliche Mannschaft übernahm Peter Kasischke. Viele Spieler brauchten aber genau diese Kombination der beiden männlichen Mannschaften. Wir waren immer wieder darauf bedacht, keine Grenzen zu erzeugen, und einige Spieler wechselten zwischen den Mannschaften.
In den ersten Jahren einschließlich der D-Jugend meldeten wir unsere Mannschaft in der höchsten Staffel, ab der C-Jugend schließlich in der Landesliga. Da wir wussten, dass wir gerade als jüngerer Jahrgang in den einzelnen Altersstufen auch hohe Niederlagen einstecken würden, riefen wir die Eltern der Kinder zusammen.
Die Elternteile sollten bei uns ein Teil der Mannschaft werden. Daran lag uns sehr viel. Die Unterstützung der Eltern ihrer Kinder bzw. der Mannschaft auf den Rängen stand dabei im Vordergrund – und zwar durch Anfeuern. Der Gegner, wie man ja auch heute noch in vielen Hallen hört, sollte bei uns nicht verbal attackiert werden. Auch wenn das Foul noch so hart war, ist es nicht richtig, den Spieler verbal fertigzumachen. Wiebke und ich haben die Verantwortung auf dem Platz und würden uns dieser Aufgabe auch stellen.
Des Weiteren ließen wir die Eltern an unserem Vorhaben, mit dem Jungenbereich irgendwann in Hamburgs höchster Spielklasse (damals noch Oberliga/ heute Hamburg Liga) zu spielen, teilhaben. Die Einstufung der Spielklasse müsse daher stets die Landesliga sein. Dadurch konnten wir unsere Spieler immer wieder fordern und fördern. Der Tabellenplatz sollte keinen hohen Stellenwert besitzen. Ich persönlich halte auch nichts davon, im Jugendbereich in einer Liga zu spielen, in der die Mannschaft gegen jeden Gegner gewinnt. Man muss sich messen können und evtl. die eine oder andere Niederlage einstecken. Denn verlieren und sich im Spiel einer möglichen Niederlage stellen möchte auch gelernt sein.
Von diesen Niederlagen musste unsere Mannschaft anfangs wirklich sehr viele und vor allem hohe einstecken. Doch war unser Weg nun klar gesteckt. Allerdings war der Gegenwind recht deutlich zu spüren. Klar, wir konnten es zum Teil auch nachvollziehen. Wer möchte nicht auch häufiger gewinnen. Doch wir wollten unsere Spieler entwickeln. Das war unser Auftrag: die sportliche und menschliche Persönlichkeitsentwicklung.
Und nun fast am Ende unserer Reise tragen wir die Früchte unserer Ernte. Aus dem Gegenwind ist ein laues Lüftchen geworden. Die verbliebenen Spieler beider Mannschaften stellen nun den Kern einer Hamburg-Liga-Mannschaft. Durch Vorrundenspiele und Qualifikationsspiele haben alle Spieler gezeigt, dass nicht nur wir den Weg vorgegeben haben. Die Art und Weise, wie sich die Mannschaft nach außen darstellt, ist beeindruckend. Wir können sagen, dass sich unsere Truppe durch viel Fleiß, Engagement und Leidenschaft den Platz in der Hamburg-Liga verdient hat. Auch menschlich sind unsere Spieler nun zu echten Persönlichkeiten herangewachsen. Aus unseren kleinen Schützlingen haben sich nun echte Kerle entwickelt – jeder mit seinem eigenen Charakter und doch so wertvoll für das Mannschaftskollektiv.
Zum heutigen Stand haben wir eine Bilanz von 06:08 auf dem Punktekonto in der männlichen A-Jugend Hamburg-Liga 2013/14. Für Wiebke und mich ein Zeichen, dass wir mit kontinuierlicher Arbeit ein durchaus realistisches Ziel nicht nur verfolgt, sondern vielmehr auch gelebt haben.